Theater im Bauturm, Aachener Str. 24, 50674 Köln
Eingetragen von Theater im Bauturm am 06.01.2023 12.55 Uhr

Leutnant Gustl sitzt im Konzert und langweilt sich entsetzlich. An der Garderobe jedoch wandelt sich der belanglose Abend zur schicksalhaften Konfrontation: Nachdem ihn ausgerechnet ein Bäckermeister als "dummer Bub" beschimpft, meldet sich der soldatische Ehrenkodex in Gustl zu Wort, der auf die Duldung einer Beleidigung, noch dazu durch eine Person niedrigeren Stands, nur eine Antwort kennt - den Selbstmord. In der Überzeugung, sein Leben am nächsten Morgen beenden zu müssen, irrt Leutnant Gustl eine ganze Nacht durch Wien und begegnet im Angesicht des Todes den Untiefen seiner Existenz zwischen Gehorsam und Überlebensinstinkt. Als ihn eine unerwartete Wendung der Ereignisse von der entsetzlichen Pflicht befreit, zeigt sich jedoch erst recht, wie fatal die militärische Zurichtung seine Wahrnehmung der Welt deformiert hat.

Arthur Schnitzlers 1900 veröffentlichte Novelle ist der erste innere Monolog der Literaturgeschichte. Mittels der neuen Technik wird die Innensicht eines radikalen Verlierer, der im hierarchischen Machtgefüge des Militärs eine Ersatzidentität findet, in zuvor ungekannter Dichte und Transparenz vermittelt. Auf wenigen Seiten entwirft Schnitzler ein seelisches Panoptikum aus Machthörigkeit und Demütigung, Verletzlichkeit und Verführbarkeit und entfaltet so mit unerbittlichem Humor die ganze Tragikomik einer einfältigen Person, die auf einmal mit existentieller Angst konfrontiert wird.

Leutnant Gustls innerer Kampf findet in Schnitzlers Novelle bei einem nächtlichen Spaziergang durch Wien statt – entlang der Einrichtungen, Orte und Institutionen, die seine Identität prägen. Die Theateradaption schickt Karolina Horster auf einen nächtlichen Spaziergang durch Köln – begleitet von einem Kamerateam. Die Leuchttürme der Kölner Kulturszene werden dabei ebenso wie Rhein und Dom zur Kulisse für den existentiellen Konflikt von Schnitzlers Protagonisten.

Den einstündigen Trip durch das menschenleere Köln verfolgen die Zuschauer:innen per One-Shot-Film. So ist die mobile Inszenierung gleichermaßen Archiv einer kollektiven Isolationserfahrung wie filmisches Aufbäumen der pandemiebedingt monatelang ruhenden Bühnen- und Gastronomiebetriebe Kölns. 

Weitere Informationen hier.

Weitere Einträge laden

Bitte melden Sie sich an, um eine Antwort zu verfassen.

Anmelden als LFDK-Mitglied Anmelden als externer Nutzer