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Praktisch Galaktisch / Daniel Ernesto Mueller / Foto © Heike Kandalowski
commonnorm / TachoTinta / Foto © Michael Zerban
Grandmothers of the Future / Waltraud900 / Foto © Melanie Zanin
DWDW - Die Sache mit den Bäumen / Armada Theater / Foto © Armada Theater
These are a few of my favorite things / äöü / Foto © äöü
The Soul of the Zeit / PARADEISER / Foto © Hans Diernberger
K.I.T.C.H.E.N. / Marlin de Haan / Foto © Bozica Babic
Silke Z. / die metabolisten / Foto © Lucas Aal
UPSIDE DOWN / Theater Titanick / Foto © Metaorange Andreas Matthes
The BIG Picture / Fetter Fisch / Foto © Thomas Mohn
CAMPING PARAISO / ANALOGTHEATER / Foto © Nathan Ishar
Recircling / Yana Novotorova / Foto © Heike Kandalowski
LET’S SING ANOTHER SONG! / POLARPUBLIK / Foto © POLARPUBLIK
Störfall / disdance-project / Foto © Klaus Wohlmann
Boyband / notsopretty / Foto © Anna Spindelndreier
DREAM MACHINE / Anke Retzlaff / Foto © Lev Gonopolski
Steinzeit Hautnah / Theater Titanick / Foto © Leon Hirsch
HELLO TO EMPTINESS / MOUVOIR Stephanie Thiersch / Foto © Martin Rottenkolber
SUITS / Kwarme Osei / Foto © Andreas Roehrig
back to the roots / Pottporus e.V. Renegade / Foto © Pottporus e.V.
BLACK EURYDICE / kainkollektiv / Foto © Daniela del Pomar
Sonic Highway / MFK Bochum / Foto © Szenische Forschung
Wetland / Katharina Senzenberger / Foto © Nathan Ishar

10.-11. Juni 2022:

Un/Safe Spaces: Von Sicherheit und Konfrontation in Theaterräumen

Eine Veranstaltung des Impulse Theater Festivals in Kooperation mit dem NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste

Das Freie Theater hat schon für viele Verunsicherungen gesorgt: ästhetisch und institutionell. Es hat Formgrenzen gesprengt, das Publikum in neue Rollen katapultiert, mit Arbeitsroutinen und Hierarchien gebrochen. Durch Verunsicherung des Altbekannten ist Neues entstanden. Ein Beharren auf Sicherheit kann mitunter als Bedrohung dieses Neuen erscheinen. Doch für viele Menschen ist Verunsicherung nicht nur provokante Strategie, sondern existenziell bedrohlich. Immer öfter werden daher Safe Spaces für Künstler*innen und Publikum gefordert, um allen sichere Teilhabe zu ermöglichen.

Safe kann heißen, dass auf die Verwendung ausgrenzender und abwertender Begriffe verzichtet wird. Safe kann heißen, dass räumliche Strukturen verändert werden – das umfasst nicht nur die rollstuhlgängige Rampe, sondern auch All-Gender-Toiletten. Safe kann auch heißen, Menschen durch Inhalts- oder Trigger-Warnungen die Möglichkeit zu geben, sich vor der Begegnung mit verletzenden Inhalten zu schützen. Safe heißt, die Grenzen von Menschen zu respektieren und ihnen als verwundbaren Wesen achtsam zu begegnen.

Aber kann Theater als öffentlicher Ort überhaupt je ein Safe Space sein? Welche Widersprüche ergeben sich daraus zu künstlerischen Strategien der Verunsicherung, also zu Provokation und Grenzüberschreitung als Prinzipien künstlerischer Freiheit? Schließen sich Kunstfreiheit und Sicherheit am Ende sogar aus?

Die zweitägige AKADEMIE stellt diese Fragen zur Diskussion. Expert*innen aus der künstlerischen Praxis beziehen mit kontroversen Inputs Position und laden die Teilnehmer*innen in Workshops und Tischgesprächen zu gemeinsamen Erfahrungen und Debatten ein. Was gibt das Freie Theater auf, was kann es gewinnen, wenn es safer wird?

Programmleitung: Tobias Herzberg
Produktionsleitung: Susanne Berthold

Termin: Freitag, 10. Juni, und Samstag, 11. Juni, je 10:00 - 17:00 Uhr
Ort: TanzFaktur, Siegburger Straße 233W, 50679 Köln
Teilnahmegebühr: 15 €

Zur Anmeldung (Tag 1)
Zur Anmeldung (Tag 2)

Programm:

Programm Freitag:

 

10:00–10:30 Begrüßung und Einführung

10:30–11:00 (Un)Safe Space Öffentlichkeit? Über Abgrenzung und Pluralismus in Medien und Theater, Keynote von Miriam Walther

11:00–11:30 Safer Spaces – Wie Utopie in künstlerische Praxis münden kann Eine Fürsprache von Antigone Akgün

11:45–12:15 Safe Spaces – Unsafe Art Eine Erwiderung aus der Praxis von Sahar Rahimi

12:15–12:45 Q&A zu den Vorträgen

13:45–16:45 Workshops mit Sibylle Peters, Yulia Yáñez Schmidt, WHITE ON WHITE

17:00 Bus-Shuttle zum STADTPROJEKT in Düsseldorf, von dort zum SHOWCASE in Mülheim an der Ruhr (Ankunft ca. 20:00)

In drei parallel stattfindenden Workshops stellen Theatermacher*innen vor, wie sie in ihrer Arbeit Sicherheit bzw. Verunsicherung herstellen, und laden die AKADEMIE-Teilnehmer*innen zu praktischen Übungen ein. Die Zuteilung zu den Workshops erfolgt zu Beginn des ersten AKADEMIE-Tags.

Workshops Freitag:

 

Workshop 1: Von Immersion bis Inklusion. Wie Theaterräume Spieler*innen und Publikum befähigen oder behindern
Leitung: Yulia Yáñez Schmidt (Schauspielerin, Köln)

Immersion heißt „Eintauchen“. Immersive Performances lassen das Publikum in spielerische Settings eintauchen, in denen die Performer*innen mit ihren Figuren oft wie verwachsen erscheinen. Die klassische Trennung von Zuschauer*innen und Spieler*innen verschwimmt – Verunsicherung vorprogrammiert! Bekannteste Beispiele sind die ortsspezifischen Arbeiten der dänisch-österreichischen Performancegruppe SIGNA, mit denen Yulia Yáñez Schmidt in mehreren europäischen Städten gastierte. Als Schauspielerin mit körperlicher Behinderung ist sie seit der Spielzeit 2019/20 nun festes Mitglied des Inklusiven Schauspielstudios am Schauspiel Wuppertal, eines bundesweit einmaligen Modellprojekts. Rollenarbeit und Repertoirebetrieb im Stadttheater versus immersive site-specific Performance: Aus dem direkten Vergleich ihrer Erfahrungen zwischen Immersion und Inklusion entwickelt Yulia Yáñez Schmidt eine Bestandsaufnahme von Treppenhäusern und Theatertradition und animiert zum kritischen Eintauchen in die Bühnenarchitektur.

Workshop 2: Solidarisch sein, ohne sich beliebt zu machen. Weiße Privilegien verunsichern
Leitung:
Iggy Malmborg, Johannes Maria Schmit (WHITE ON WHITE, Malmö/Stockholm)
Sprache: Englisch

WHITE ON WHITE ist die künstlerische Beziehung zwischen Iggy Malmborg und Johannes Maria Schmit. Zwischen 2009 und 2016 produzierten WHITE ON WHITE eine Serie von sechs Performances, die alle das ausdrückliche Ziel hatten, einen unsicheren Raum für Menschen mit weißen Privilegien zu schaffen – also die Selbstverständlichkeit zu erschüttern, mit der sich ein weißes Publikum mit den beiden weißen Performern identifiziert. Im Rahmen des Workshops gibt das Duo einen Einblick in die Strategien, die in der Serie angewendet wurden, und erklärt, warum sie mit der Amtseinführung von Donald Trump abrupt enden musste. Außerdem werden die Teilnehmenden in eine Reihe politischer Dilemmas verwickelt, die unsere Gegenwart prägen. Die zentrale Workshop-Frage lautet: Kann aus dem dialektischen Verhältnis von sicheren Arbeitsprozessen und konfrontativen Ästhetiken eine produktive Reibung entstehen?

Workshop 3: Fluchtwege aus der Heteronormativität. Ein Safe Space für Heteras
Leitung:
Sibylle Peters (Performancekünstlerin und Kulturwissenschaftlerin, Hamburg)

Die heteronormative Welt ist für Frauen nicht safe. Sie verschleiert, wie häufig heterasexuelle Frauen sich gezwungen sehen, in intimen Begegnungen gegen das eigene Interesse und Begehren zu performen. Diese grundsätzliche Schieflage schafft Misstrauen und kann Liebe, Lust und Flirt schnell vergiften. Deshalb braucht es einen Safe Space für Heteras. Der HETERACLUB (15.–18.06. im Impulse-SHOWCASE) erreicht dies durch die Figur des female pimp, der weiblichen Zuhälterin. Unter ihrer Leitung trainieren die beteiligten Männer, sich in ihrer Begegnung mit den Heteras von deren Begehren führen zu lassen, Grenzen wahrzunehmen und zu respektieren. Das dauert. Wochen. Ist es möglich, Verfahren des Heteraclubs auf ein Workshop-Setting zu übertragen, in dem Heteras und Heteros gemeinsam nach Fluchtwegen aus der Heteronormativität suchen? Keine Garantien, nur ein Versuch.

Programm Samstag:

 

10:00–11:30 Who did Enjoy Racism?

11:30–11:45 Kaffeepause

11:45–13:15 Tischgespräche mit Elisabeth Bernroitner, Denice Bourbon, Simone Dede Ayivi, Mable Preach, Sophia Stepf und Abhishek Thapar, Michael Turinsky

13:15–14:15 Mittagessen

14:15–15:15 Speed-Dating

15:15–15:30 Kaffeepause

15:30–16:45 Abschlussdiskussion

17:00 Bus-Shuttle

Tischgespräche Samstag:

 

Die Tischgespräche bieten die Gelegenheit, in kleiner Runde konkrete Fragestellungen mit ein oder zwei Expert*innen sowie untereinander zu diskutieren. Die Gespräche finden alle parallel statt, die Teilnehmenden müssen sich also für eines der angebotenen Themen entscheiden. Jedes Tischgespräch startet mit einer kurzen Einführung in das Thema durch die Expert*innen, danach wird frei miteinander gesprochen.

Tischgespräch 1: Theater im Glashaus. Wie entsteht Kunst im transkulturellen Schutzraum?
Gesprächsleitung:
Elisabeth Bernroitner (Brunnenpassage, Wien)
Die Brunnenpassage arbeitet seit 2007 als Labor transkultureller Kunst in einer gläsernen ehemaligen Markthalle in einem Außenbezirk der Stadt Wien. Elisabeth Bernroitner leitet dort den Theaterbereich. Sie erläutert, wie ein sicherer, diversitätssensibler Rahmen kollektives Kunstschaffen ermöglicht, und lädt zum Gespräch über die Unwägbarkeiten der Kunstproduktion im transparenten Schutzraum.

Tischgespräch 2: Queere Comedy. Wie geht politischer Humor ohne Zuschreibungen und Ausschlüsse?
Gesprächsleitung:
Denice Bourbon (PCCC* – Vienna’s First Queer Comedy Club, Wien)
Denice Bourbons goldene Comedy-Regel lautet: Nicht nach unten treten! Lachen aus Notwehr, auch gern über sich selbst. Und austeilen, zur Seite, nach oben und, of course, immer mit einem Augenzwinkern. Das Wiener Original lesbisch-queeren Entertainments lädt zum Gespräch über empowernde Witze und subversiven Spaß im Namen der Political Correctness.

Tischgespräch 3: Erfahrungen teilen. Welche Gesprächsräume brauchen marginalisierte Communities?
Gesprächsleitung:
Simone Dede Ayivi (Autorin, Regisseurin, Berlin)
In ihrer dokumentarischen Installation THE KIDS ARE ALRIGHT (zu sehen im diesjährigen Impulse-SHOWCASE) widmet sich Simone Dede Ayivi den Familienerzählungen, Generationenkonflikten, politischen Kämpfen und Zukunftsvisionen in Familien mit Migrationserbe. Mit den Teilnehmenden des Tischgesprächs reflektiert sie ihre Arbeitsweise und spricht über das Interviewen von Zeitzeug*innen, die oft von Rassismus und Gewalt betroffen sind. Wie spricht man miteinander? Und was bedeutet Verantwortung im künstlerischen Umgang mit den Recherche-Ergebnissen?

Tischgespräch 4: Wir für uns. Welche Chancen birgt die Arbeit im All-BIPOC-Ensemble?
Gesprächsleitung:
Mable Preach (Regisseurin, Aktivistin, Lukulule e.V., Hamburg)
Gemeinsam mit ihrem BIPOC-Darsteller*innen-Team begab sich Mable Preach auf eine bio-fiktionale Spurensuche nach weiblichen Akteurinnen im antikolonialen Widerstand. Im Tischgespräch diskutiert die Hamburger Regisseurin Herausforderungen und Grenzen eines Safer Space als Probenvoraussetzung und lädt zur Reflexion über die künstlerische Entwicklung antirassistischer Strategien aus junger weiblicher Perspektive.

Tischgespräch 5: White Money. Wie bilden sich globale Machtverhältnisse in den Darstellenden Künsten ab?
Gesprächsleitung: Sophia Stepf (Flinn Works, Berlin), Abhishek Thapar (Theatermacher und -forscher, Amsterdam)
Sprache: Englisch
2021 veranstaltete die Gruppe Flinn Works einen Versuch, die Grenzen der Kultur-Förderstrukturen auszudehnen: Im Rahmen eines zweitägigen Festivals gaben sie Fördergelder an Künstler*innen of Colour und aus dem globalen Süden weiter, um das Phänomen „White Money” unter die Lupe zu nehmen. „White Money” bezeichnet Kulturförderung von Europa für den Rest der Welt. Auch der Markt der Darstellenden Künste wird davon beherrscht. Inwieweit beeinflussen globale Hierarchien durch Geldflüsse künstlerische Prozesse, Inhalte und Ästhetiken? Welche kreativen Auswege aus den so entstehenden Abhängigkeiten sind denkbar?

Tischgespräch 6: Crip Time. Wie formulieren sich alternative Zeitlichkeiten in Tanz und Choreografie?
Gesprächsleitung:
Michael Turinsky (Choreograf, Performer, Theoretiker, Wien)
Michael Turinsky ist Experte für Choreografie mit Körpern, die sich der Normierung entziehen und somit Annahmen über Tanz als Kunstform grundlegend verunsichern. In seiner neuen Arbeit PRECARIOUS MOVES (Teil des Impulse-SHOWCASE 2022) setzt der Künstler seine Untersuchung widerständiger choreografischer Positionierungen fort und befragt ​​persönliche, aber auch kollektive Bedürfnisse nach Mobilität und Sicherheit. Im Tischgespräch geht es um instabile Körper – und um Widerstand gegen den Zeitdruck in der künstlerischen Praxis.

Mehr Informationen und Anmeldung: impulsefestival.de

In Kooperation mit dem Impulse Theater Festival