NRW LFDK 21.02.2019 14.28 Uhr

Arbeitslabor Interkulturelle Guides: „Konflikte sind sexy“

Julienne de Muirier berichtet aus dem Arbeitslabor am 19. und 20. Januar:

Die zweitägige Veranstaltung in der Zukunftsakademie NRW im Januar lehnte an die Idee einer Ausbildung zum Interkulturellen Guide an. Diese Idee entstand aus den Erfahrungen, die das NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste, der Landesmusikrat und die LAG Soziokultur mit verschiedenen Projektförderformaten im Rahmen des Integrationsplans für NRW gemacht haben. 

Interkulturellen Guides kommt in Projekten die Aufgabe zu, für möglichst einfache und direkte Begegnungsräume und Austausch der Akteur*innen zu sorgen. Die Tagung sollte die Form eines Vernetzungs- und Arbeitstreffens haben, in dem Migrationsforscher*innen mit Menschen zusammenkommen, die in der interkulturellen und integrativen Projektarbeit tätig sind. 

Erster Tag - Samstag 19.01.19 

Nach der Begrüßung um 12 Uhr startete der Tag prompt mit dem ersten Input: Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani, seit 2018 Leiter der Integrationsabteilung im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in NRW, trug in einem Impulsreferat die Hauptthesen seines Sachbuch-Bestsellers "Das Intergrationsparadox - Warum gelungene Integration zu Konflikten führt" vor. Besonders interessant daran war, wie er die gleichen Daten, die Menschen wie Thilo Sarrazin nutzen, um rechtspopulistisch zu hetzen, aus der Perspektive des Fortschritts betrachtete. Er eröffnete einen anderen, positiven Blick auf Integration, indem er die Situation heute mit den 70er und 80er Jahren verglich. Damit wirkte er der Panikmache entgegen, die zum Thema Zuwanderung katastrophale Zukunftsbilder über den „Untergang des Abendlandes“ zeichnet.  

„Konflikte sind sexy“ 

Vor allem die positiven Entwicklungen in der Integration würden zu Streitigkeiten führen, lautete eine These des Autors. Sowohl bei horizontaler als auch vertikaler Annäherung, käme es natürlicherweise zu Konflikten. Um dies genauer zu beschreiben nutzte er eine Metapher, die wir El-Mafaalani zufolge „nie vergessen werden“: Es gibt einen Kuchen und mit dem Hinzukommen neuer Akteure an den Tisch, muss über die Neuverteilung des Kuchens diskutiert und verhandelt werden.  

El-Mafaalanis Input hinterließ viel Diskussionsbedarf für die anschließende Gesprächsrunde, die von Meltem Kaptan moderiert wurde. Und die Kuchen-Metapher schien tatsächlich kaum einer*einem Zuhörer*in aus dem Kopf zu gehen. Es wurden Fragen gestellt, wie: 

  • Gibt es eine begrenzte Zahl an Plätzen am Tisch? 
  • Kann es auch mehrere Kuchen geben?  
  • Muss es ein Leitrezept geben?  
  • Wer sitzt momentan am Boden?  

Hätte es kein Folgeprogramm gegeben, wäre weiter diskutiert worden. Ein gutes Zeichen! Mit viel Input und Gesprächsbedarf entließ man die Teilnehmer*innen in die Mittagspause, in der sich munter bei einer Kokos-Curry-Suppe vernetzt wurde. Ein wenig gestärkt, verteilten sich die Teilnehmer*innen auf drei verschiedene Workshops, deren Ergebnisse anschließend zusammengetragen wurden (mehr zu den Themen der Workshops).  

Zweiter Tag – Sonntag 20.01.19 

Der Sonntag kam ohne Workshops aus. Stattdessen gab es zwei Vorträge mit anschließender Diskussion. Als erstes referierte Prof. Dr. Hacı-Halil Uslucan, Migrationsforscher und Psychologe an der Universität Duisburg-Essen, über den Begriff des „Kulturkonflikts“: Die Problematik dessen sei die Annahme, es gebe in den verschiedenen Kulturen enorme Wertunterschiede. Prof. Dr. Hacı-Halil Uslucan führte Studien an, die dies widerlegen.  

Es folgte ein Praxisbeispiel von Necaattin Arslan (Museumsverband für Niedersachsen und Bremen e.V.): Er stellte ein Projekt vor, das geflüchtete Menschen aufgrund ihres Berufes an Museen für künstlerische Projekte zu vermitteln versucht.  

Konkret stellte Arslan eine Kooperation mit dem Nordwestdeutschen Museum für Industriekultur in Delmenhorst vor. Der Leiter des Museums Carsten Jöhnk erzählte von dem aus Tunesien geflüchteten Radiojournalisten Ramzi Ben Saad, der nun ein deutsch-arabisches Radioprogramm entwickelt hat. Er selbst konnte leider aufgrund seines ungeklärten Aufenthaltsstatus nicht anwesend sein. Die Diskussion wurde durch die Frage befördert, wie man mit einer solchen Situation umgehen solle und wie weit solche Projekte reichen sollten. 

„Bin ich bereits ein interkultureller Guide?“ 

Im abschließenden Plenum bat Meltem Kaptan die Teilnehmenden darum, konkrete Wünsche und Bedürfnisse bezüglich der interkulturellen Projektarbeit zu formulieren. Auch der Begriff des interkulturellen Guides selbst wurde dabei noch einmal hinterfragt: „Was ist ein interkultureller Guide?“, „Bin ich bereits einer?“. 

Meltem Kaptan hob hervor, dass der Begriff des interkulturellen Guides als eine Art Arbeitstitel diene, auf den man sich geeinigt habe, um seine Bedeutung gemeinsam zu schärfen. Deutlich wurde ebenso die Herausforderung, das breite Spektrum an individuellen Arbeitsfeldern und unterschiedlichen Kompetenzen der Anwesenden zu bedienen. Durch die Erinnerung an die Undefiniertheit des Begriffs nannten die Teilnehmer*innen einige persönliche Erfahrungen und Wünsche, u.a. aus Perspektive der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Dramaturgie und Vermittlung. Die Veranstaltung diente als gelungener Auftakt zum Weiterarbeiten an einem gemeinsamen Netzwerk.  

Im nächsten Schritt wird es einen Fachworkshop von den Vertretern der beteiligten Institutionen geben, mit dem Ziel konkrete Vorschläge zur Umsetzung einer Qualifikation zum „interkulturellen Guide“ auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse zu erarbeiten.   

Die Veranstaltung wurde gefördert durch das NRW KULTURsekretariat und das Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW

Zum Weiterlesen:

Videodokumentation der Veranstaltung

Hybride Kunst - Eine Bestandsaufnahme interkultureller Projekte der Freien Darstellenden Künste in NRW" von Günfer Günfer Çölgeçen (2018)

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